Der Ausbruch des Covid-19-Virus in Deutschland hat unser aller Leben deutlich auf den Kopf gestellt. Die meisten von uns haben sich mittlerweile halbwegs mit der neuen Situation arrangiert, angenehm sind die Quarantäne-Anforderungen jedoch für niemanden. Viele fühlen sich verloren im Spannungsbogen zwischen Unter- und Überforderung. Je länger die Quarantäne-Maßnahmen gelten, desto klarer ist, dass nicht nur alles anders ist, sondern vielleicht auch nach der Krise alles anders bleiben wird.

Trauer als kollektives Phänomen

Kürzlich erschien ein Artikel (auf Englisch) in der Harvard Business Review, in dem der Thanatologe und Forscher David Kessler (seines Zeichens Mitstreiter der berühmten Trauer-Forscherin Elisabeth Kübler-Ross) die Hypothese aufstellt, dass wir aktuell kollektiv einen Trauerprozess durchlaufen. Dieser begründet sich auf dem Erleben des Verlustes von Sicherheit und Normalität und der noch schwerer wiegenden Erkenntnis, dass die einst gekannte Normalität nie wieder zurückkehren könnte. Diese Einsicht führt, nicht unbedingt in linearer Reihenfolge, zu den sechs Stadien von Trauer: Schock, Leugnung, Wut, Verhandeln, Depression und Akzeptanz oder Hoffnung. Trauer ist also in der aktuellen Situation eine Art Volkskrankheit.

Wege aus der Trauer

Was also tun mit all dieser Trauer? Zuerst gilt es, liebevoll mit uns selbst und anderen umzugehen. Die empfundene Trauer und ihre psychologischen und physiologischen Auswirkungen sind echt, auch wenn die Gedanken, die unsere Trauer auslösen, es nicht unbedingt sind. Vieles was uns stresst oder traurig macht spielt sich im Raum unserer Fantasien und Ängste ab. Unabhängig davon, ob unsere Befürchtungen begründet sind oder nicht, ist der erste Schritte aus lähmender Angst die Besinnung auf das Hier und Jetzt: Was spüre ich hier, in diesem Augenblick?

Im Körper landen

Hier spielt unser Körper eine besondere Rolle, denn er befindet sich immer im Hier und Jetzt. Den eigenen Körper zu spüren, sich zu bewegen, bewusst zu atmen oder Yoga zu machen hat, wissenschaftlich bewiesen, eine beruhigende Auswirkung auf unsere Physiologie und damit auch auf unsere Psyche. Wenn ich ganz im Körper bin, kann ich nicht gleichzeitig in meinen Fantasien über eine katastrophale Zukunft sein. Also: raus aus dem Haus, eine Stunde laufen gehen, mit einem geliebten Menschen kuscheln, tanzen oder Yoga machen – was immer Dich mit Deinem Körper in Kontakt bringt.

Wie dieses sympathische Video zeigt, kann wirklich jede*r tanzen!

Mit anderen verbunden sein

Ein weiterer Aspekt im Umgang mit unserer Trauer und unseren Ängsten ist der Schritt aus der Isolation und in den emphatischen und ehrlichen Kontakt mit anderen Menschen. Letztes Jahr nahm ich an der Meaning-Konferenz in Brighton teil. Einer der Vortragenden war ein Mann namens Maff Potts. Nach zwanzigjähriger Erfahrung in der Leitung von Obdachlosenheimen entschied sich Maff, sein berufliches Wirken auf das zu konzentrieren, was seiner Beobachtung nach den größten Unterschied machte in der psychischen Gesundheit und dem Wohlbefinden von Menschen: Lebenssinn und Freundschaften. Maff gründete daraufhin die Camerados. Camerados ist eine Bewegung von Menschen, die davon überzeugt sind, dass die Antwort auf unsere Probleme in der gegenseitigen Unterstützung liegt. Maff Potts und die Camerados unterstützen deshalb Menschen dabei, öffentliche Räume einzurichten (in Form öffentlicher Wohnzimmer), in denen sich Fremde und Freunde begegnen und Fremde zu Freunden werden. Den Camerados geht es darum, Menschen in Kontakt zu bringen – denn, wie heißtes so schön: „geteiltes Leid ist halbes Leid und geteilte Freude ist doppelte Freude“.

Spoon Rooms

Die Mission der Camerados ist die Verringerung sozialer Distanz und so war Maff verständlicherweise am Boden zerstört, als Covid-19 zuschlug. In seinem Blogbeitrag „When hugs are banned“ spricht er über seine Verzweiflung, als er erkannte, was die Aufforderung zu sozialer Distanz für die Camerados bedeutet. Wir von Conscious U* wollten den Camerados helfen. Auch wenn Treffen in öffentlichen Räumen aktuell nicht möglich sind, so kann man sich doch in virtuellen Räumen virenfrei begegnen. Bei Conscious U* helfen wir Organisationen, auch virtuell Gemeinschaften aufbauen und wir wissen, wie man Online-Meetings führt, die nicht von unbehaglichem Schweigen oder verwirrendem Durcheinanderreden bestimmt werden.

Screenshot-of-a-Spoon-Room-Video-Meeting

Bei unserer Kollaboration mit den Camerados ist das SpoonRoom-Konzept entstanden. Spoon Rooms sind zeitlich begrenzte Online-Videokonferenzen, die einem bestimmten Ablauf folgen. Spoon Room, also Löffel-Raum, haben wir sie genannt, weil in der Videokonferenz ein erhobener Kochlöffel (Spoon) den oder die Sprecher*in anzeigt. In einem Spoon Room haben Fremde und Freund*innen die Möglichkeit, sich mit anderen auszutauschen, gemeinsam zu lachen, den eigenen Frust loszuwerden und zu spüren, dass sie mit anderen Menschen in Verbindung sind.

Absolut jede*r kann einen eigenen Spoon Room einrichten – sei es für das eigene Team, die Gemeinde, die Familie oder für Fremde.

Möge der Löffel mit Dir sein: Nimm teil!

Wir betreiben zwei öffentlich zugängliche Spoon Rooms. Die Teilnahme ist kostenlos und verpflichtet Dich nicht, an weiteren Spoon Rooms teilzunehmen!

Der deutsche Spoon Room ist derzeit in Sommerpause, melde Dich für unseren Newsletter an, um informiert zu werden, wenn die deutschen Spoon Rooms wieder starten.

Und für alle Englisch-Sprechenden:

Register here for the Saturday (UK time zone) Spoon Room (in English) which takes place every Saturday, from 12:00–11:15 (CET).

Register here for the Saturday (USA time zone) Spoon Room (in English) which kicks of on Saturday, the 25th of April, from 18:00–19:15 (CET).

Wir freuen uns auf Dich! In der Zwischenzeit: Bleib gesund.

Nadja-Taranczewski-Spoon-Room