Dieser Artikel erschien am 2. Januar 2016 auf Medium.
Das Neue Jahr hat begonnen und ich habe mir etwas Zeit genommen, über das vergangene Jahr zu reflektieren. Ich blicke zurück auf ein herausforderndes Jahr, in dem vieles nicht so gelaufen ist wie geplant. Im September des vergangenen Jahres schrieb ich im Coachingartikel „Vom Schönen Scheitern“ über den Unterschied zwischen lustvollen Wollen- und leidigen Soll-Zielen. Erstere wurzeln in Liebe, letztere in Angst. Ich regte dazu an, die eigenen Wollen-Ziele in die Welt zu posaunen. Darin steckt zwar das Risiko des Scheiterns, allerdings auch die immense Befriedigung, welche die volle Zuwendung zu einem Liebesziel in sich trägt. Meine beiden Liebesziele für letztes Jahr waren:
  1. Die Künstlerin/Musikerin Amanda Palmer dazu zu bewegen, die Einleitung für mein Buch zu schreiben und
  2. die in Berlin bereits sehr aktive, „Conscious U“-Gemeinde auszubauen und im virtuellen Raum zur besten Online-Plattform für persönliche Entwicklung in Deutschland zu machen.
An 1) bin ich klar gescheitert. Obwohl ich mein Herz, meine Seele und zwei Wochen Arbeit in den Video-Brief an Amanda Palmer gelegt habe, passierte: gar nichts. Von Amanda Palmer habe ich, außer einer Empfangsbestätigung durch ihre Assistentin, nie gehört. Dennoch war die Arbeit nicht umsonst: beim Machen des Videos hatte ich einen Riesenspaß und einem echten Rockstar zu schreiben hat mich ermutigt, nun auch andere Personen um Unterstützung zu bitten. In Bezug auf 2) musste ich feststellen, wie Ereignisse, die außerhalb meiner Kontrolle lagen (hier im Besonderen der Tod meiner Mutter Theresia Hebenstreit) meine Ambitionen gebremst hat. Aber trotz der Herausforderung, die die Krankheit meiner Mutter emotional und zeitlich für viele Monate bedeutet hat, ist eine Menge Zeit und Arbeit in die Konzeption von ConsciousU* geflossen. Der Launch der Online-Plattform ist für dieses Jahr geplant. Die für mich größte Erkenntnis aus dem vergangen Jahr aber ist: Immer wenn ich mich einem DING (=Projekt, Vorhaben, Ziel) zuwende, das im Kern wirklich meines ist, das meine Sinn-Ebene berührt, dann ist das Ergebnis dem Prozess nachgeordnet. Der Weg ist das Ziel. Wie unser DING und unser Sinn zusammenhängen, möchte ich im Folgenden erforschen.

Der Eisberg als Metapher

Für die meisten von uns gibt es einen intuitiven Zusammenhang zwischen unserem DING und unserem tieferen Gefühl von Sinn. Um zu erklären, warum dies so ist, will ich den Eisberg als Metapher nutzen. Wie bei einem Eisberg ist auch bei jedem Menschen nur ein Bruchteil dessen sichtbar, was uns ausmacht. Die sichtbare Spitze des menschlichen Eisbergs ist unser Verhalten. Nicht sichtbar, unterhalb der Wasseroberfläche, wird unser Verhalten gesteuert durch unsere Gefühle und Gedanken, unsere Werte und unsere grundsätzlichen psychologischen Bedürfnisse.
Sowohl unser DING als auch unser Sinn sind eng verwoben mit diesen tieferen Ebenen unseres Eisbergs. Je mehr wir entsprechend unseren Werten und Grundbedürfnissen agieren, desto sinnhafter wird, was wir tun und desto mehr haben wir das Gefühl, unser DING zu machen – im Kontext unseres eigenen Universums. Je weiter sich hingegen unser Handeln entfernt von unseren Werten und Bedürfnissen, desto höher der Preis, den wir selbst – oft aber auch andere Menschen in unserem Leben – dafür zahlen. Denn je länger ich entgegen meinen Werten und Bedürfnissen handele, desto wahrscheinlicher fühle ich mich verbittert, werde sarkastisch, mit anderen ungeduldig oder neide ihnen ihren Erfolg oder Lebensstil.

Ehrlich oder rücksichtsvoll?

Die Werte, die uns auszeichnen, sind sowohl kulturell als auch familiär geprägt. Sie beschreiben Handlungen und Haltungen, die in unseren Augen einen guten und reifen Menschen auszeichnen. Wir messen unseren eigenen Wert als auch den Wert anderer an dem Grad, in dem diese ihr Handeln an diesen Werten ausrichten. Die Erfüllung unseres Anspruchs an uns selbst (und andere) wird dadurch verkompliziert, dass wir, wieder metaphorisch gesprochen, verschiedene „Selbste“ oder Stimmen in uns haben, die unterschiedlichen Werten Priorität geben. Die von diesen Selbsten vertretenen Werte sind weder immer kongruent, noch leicht miteinander vereinbar. So erwartet eines unserer Selbste z.B. absolute Ehrlichkeit von uns, während es ein anderes Selbst für essentiell hält, immer Rücksicht auf die Gefühle und Bedürfnisse anderer zu nehmen. Immer ehrlich zu sein, aber dabei niemanden zu verletzen, ist oft ein unmöglicher Spagat.

Die 5 Grundbedürfnisse

Unsere unterschiedlichen Selbste priorisieren nicht nur verschiedene Werte, sie sind häufig auch interessiert an der Erfüllung unterschiedlicher Bedürfnisse. Ich unterteile hierbei in fünf Grundbedürfnisse:
  • Liebe/Zugehörigkeit
  • Autonomer Selbstausdruck
  • Sicherheit/Vorhersagbarkeit
  • Wachstum/Stimulation
  • Sinn/Bedeutung
Jedes dieser Bedürfnisse repräsentiert einen unterschiedlichen Pol unseres inneren Kompasses. Um im inneren Gleichgewicht zu bleiben, müssen wir jedem dieser Bedürfnisse etwas Raum zugestehen. Es gibt nicht das eine RICHTIGE Bedürfnis. Genauso wenig, wie es den RICHTIGEN Wert gibt, der immer und in jeder Lage sinnvoll ist. Stattdessen gibt es immer nur das Bedürfnis oder den Wert, der den aktuellen Rahmenbedingungen angemessen ist. Unsere Aufgabe ist es, immer wieder einen Blick aus der Metaperspektive auf die aktuelle Balance unserer Werte und Bedürfnisse zu werfen und zu entscheiden, ob die Kräfteverteilung für das, was wir erschaffen wollen, angemessen ist.

Konkurrierende Bedürfnisse

Das eigene DING zu machen bedeutet, uns dem Bedürfnis nach Sinn und Bedeutung zuzuwenden und dieses mit Leben zu füllen. Um das Bedürfnis nach Sinn und Bedeutung kongruent zu befriedigen, müssen zwei Bedürfnisse gleichzeitig beachtet werden: Jenes nach autonomem Selbstausdruck und das nach Wachstum/Unsicherheit. Denn wenn ich etwas für mich Sinnvolles machen will, mein Ur-eigenes DING, muss ich zu beidem Mut haben: Einerseits dazu, auszudrücken, was ich wirklich will und andrerseits mich auf die Unsicherheit einzulassen. Häufig sind dies aber die beiden Bedürfnisse, die wir als Kinder als erstes geopfert haben, um Liebe/Zugehörigkeit nicht zu riskieren. In anderen Worten: Um unser DING zu machen, müssen wir unser unangepasstes Kind reanimieren. Das Kind, das die Welt um sich herum vergisst, weil es sich im Spiel verliert; das mit dem Fuß aufstampft, weil es unbedingt etwas will; das Kind, das Regeln bricht, weil die Neugierde auf Neues größer ist als die Angst davor. Die Frage, der wir uns immer wieder aufs Neue stellen müssen ist, ob die Balance unseres inneren Kompasses stimmt, oder ob es sich lohnt, die Fühler in die Richtung eines Bedürfnisses auszustrecken, das wir lange vernachlässigt haben.

Coachingfragen

  • Wie sah dein Kompass im letzten Jahr aus?
  • Welches Bedürfnis hast du in den Vordergrund gerückt und welches hast du vernachlässigt?
  • Was für eine Sehnsucht gibt es in dir?
  • Der Fokus auf welches Bedürfnis wäre bei der Befriedigung dieser Sehnsucht hilfreich?
  • Was willst du im kommenden Jahr angehen?